Verbraucherzentrale NRW fordert Verbot von Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“

28.04.2023
  1. „Der CO2-Ausgleich beruht auf fragwürdigen Berechnungen: Bei der Kompensation wird so getan, als könnten CO2-Emissionen westlicher Unternehmen 1:1 mit CO2-Einsparungen aus Klimaschutzprojekten verrechnet werden. Um CO2-Einsparungen aber überhaupt berechnen zu können, müssen fiktive „Was wäre wenn“-Szenarien erstellt werden. Die dafür getroffenen Annahmen sind zum Teil unrealistisch und oft auch nicht überprüfbar: So wird zum Beispiel bei der Aufforstung von Wäldern oft angenommen, dass die Wälder dauerhaft stehen bleiben – sie können jedoch abbrennen oder abgeholzt werden. Beim Schutz bedrohter Waldgebiete besteht die Gefahr, dass anstelle des geschützten Gebiets einfach an anderer Stelle abgeholzt wird. Und bei Erneuerbare Energie-Projekten ist oft unklar, ob sie tatsächlich zusätzlichen Klimaschutz leisten, oder ob das Projekt nicht ohnehin durch den Verkauf von Strom oder Gas realisiert worden wäre. In solchen Fällen können reine Mitnahmeeffekte ohne Wirkung für das Klima entstehen. Studien zeigen, dass die Mehrheit der Kompensationsprojekte nicht die CO2-Reduktionen erbringen, die sie versprechen. Ein weiteres Problem sind Doppelzählungen – sie entstehen wenn z.B. sowohl das Land, in dem ein Klimaschutzprojekt umgesetzt wurde und ein Unternehmen, das Ausgleichszertifikate aus dem Projekt kauft die CO2-Minderungen für sich beanspruchen. Unter dem Pariser Klimaschutzabkommen hat sich diese Problematik verschärft und es gibt bislang keine verbindliche internationale Vereinbarung, die solche Doppelzählungen verlässlich ausschließt.
  2. Der CO2-Ausgleich ist intransparent: Sicher gibt es auch gute Klimaschutzprojekte. Verbraucher ist es jedoch kaum möglich, diese ausfindig zu machen, da sie die Qualität der Zertifikate hinter einem bestimmten „klimaneutralen“ Produkt in aller Regel nicht beurteilen können. Die Anbieter verweisen oft auf Qualitätsstandards wie z. B. den „Gold Standard‘“oder den „Verified Carbon Standard“ sowie auf externe Prüfagenturen – allerdings ist der gesamte Zertifikatehandel rein privatwirtschaftlich organisiert. Neutrale Bewertungen werden aufgrund finanzieller Interessenskonflikte erschwert, und eine Überprüfung durch unabhängige Stellen gibt es nicht. Dass es auch bei Projekten unter den vermeintlich guten Qualitätsstandards hohe Risiken gibt, dass CO2-Einsparungen überschätzt werden zeigt ein Tool der Carbon Credit Quality Initiative (CCQI), die unabhängiges Expertenwissen zur Bewertung der Qualität von CO2-Zertifikaten bereitstellt. Das Tool ist allerdings nur mit Vorwissen sinnvoll nutzbar.
  3. Der CO2-Ausgleich setzt falsche Anreize: Der Zertifikatekauf ist für Unternehmen bequem und kostengünstig und die Aussage „klimaneutral“ eignet sich gut, um die eigenen Produkte als nachhaltig darzustellen. Viel wichtiger für den globalen Klimaschutz ist laut Experten jedoch, dass Unternehmen den CO2-Ausstoß in den eigenen Betriebsabläufen und beim Bezug von Rohstoffen vermeiden und reduzieren. Das ist aber meist sehr viel mühsamer, kostspieliger und im Marketing schlechter darstellbar. Somit gibt der CO2-Zertifikatehandel den Unternehmen Anreize, ganz oder größtenteils auf CO2-Ausgleich zu setzen und die mühsame, aber deutlich wichtigere Reduktion von eigenem CO2-Ausstoß zu vernachlässigen. Auf Seiten der Verbraucher:innen kann das „klimaneutral“-Versprechen dazu führen, dass der Konsum klimaschädlicher Produkte fortgesetzt wird – in vollem Vertrauen darauf, dass die Produkte keinen Schaden anrichten.“

Die Verbraucherzentrale NRW zieht daraus das Fazit, wonach es fragwürdig sei, ob ein CO2-Ausgleich überhaupt einen Beitrag zum Klimaschutz leiste. Vielmehr bestehe die Gefahr, dass die Möglichkeit zur Kompensation ablenke von der konsequenten und dringend nötigen Vermeidung und Reduktion von Treibhausgasen in den Industrieländern.

Die Verbraucherzentralen fordern daher schon länger ein generelles Verbot der Werbung mit „Klimaneutralität“ für Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen.

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