Erster klimaneutraler Beton Deutschlands

13.05.2020

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eton gilt als Klimasünder. Nicht ganz zu unrecht, denn seine Herstellung gilt setzt hohe Mengen an CO2 frei und macht weltweit etwa 90 Prozent des Ausstoßes der Industrie aus. Deshalb hat die Lafarge-Tochter Holcim als erster Hersteller klimaneutralen Beton gegossen: für ein neues Verwaltungsgebäude des Naturschutzbunds NABU. Neu sind auch Studien, wonach Beton auch CO2 aus der Luft aufnehmen kann.

Seine schlechte Klimabilanz beschert dem Zement vor allem die Herstellung des so genannten Zementklinkers. Dafür werden Kalk und Ton auf rund 1.450 Grad Celsius erhitzt. Je nachdem können noch Sand oder Eisenerz beigemischt werden. Entscheidend für die Klimabilanz ist dabei nicht nur die enorme Energie, die durch die Befeuerung der Zementöfen benötigt wird und bisher nicht erneuerbar erzeugt werden kann. Hinzu kommt, dass der Kalk sich während des Brennens bei der so genannten Calcinierung in ein Oxid umwandelt, das sich dann teilweise mit den anderen Stoffen zu Klinker verbindet. Bei dieser Reaktion wird auch Kohlendioxid in großer Menge freigesetzt. Rund 38 Gigatonnen Kohlendioxid seien durch diesen Prozess zwischen 1930 und 2013 weltweit emittiert worden, schrieb nun ein Forscherteam um Fengming Xi vom Institut für angewandte Ökologie an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shenyang diese Woche in der Fachzeitscchrift „Nature Geoscience“.

Seit Jahren tüfteln Hersteller daher an klimaneutralem Beton, was ohne externe Kompensationsmaßnahmen bisher allerdings nicht realisierbar scheint. Die Hamburger Lafarge-Tochter Holcim hat nun zum ersten Mal zumindest rechnerisch klimaneutralen Beton ausgeliefert: für die Bodenplatte des neuen Naturschutzzentrums des Naturschutzbunds Deutschland (NABU) in Bingen brachten die Mischer rund 280 Kubikmeter Beton an den Rhein.

Die ausgeglichene Klimabilanz erreicht Holcim zum einen durch eine CO2-optimierte Zusammensetzung des Betons. Die insgesamt 44 Tonnen nicht vermeidbarer Emissionen gleicht Holcim durch den Erwerb von Kompensationszertifikaten aus. Anbieter dafür ist die Initiative moorfutures der drei Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Konkret finanziert moorfutures mit dem Zertifikat an Holcim die Wiedervernässung des Königsmoores westlich von Rendsburg. Generell gilt die Vernässung von Mooren als effektivste regionale Maßnahme zur CO2-Kompensation, denn Moore sind nach den fossilen Lagestätten die größten Kohlenstoffspeicher auf der Erde. Eine Tonne CO2 hat in diesem Projekt 64,- € gekostet. Die Wirksamkeit wurde zusätzlich zum strengen Standard von moorfutures vom TÜV Rheinland nach ISO 14064-2 verifiziert.

Klimabilanz: kann Beton auch CO2 aufnehmen?

Das Neue an der oben genannten Studie des Instituts für angewandte Ökologie an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften waren die ihre Berechnungen der Kohlendioxidmengen, die Beton infolge einer gegenläufigen chemischen Reaktion wieder aufnehmen kann. Grund dafür ist die so genannte Carbonatisierung, die Umkehr der Calcinierung. Dabei nimmt der im Beton enthaltene Zement langsam CO2 aus der Luft. Dieser Effekt ist bekannt und bei Stahlbeton etwa ausgesprochen unerwünscht. Denn er verändert seinen pH-Wert und fördert die Korrosion verstärkender Metallteile. Dem Beton selbst schadet er allerdings nicht, im Gegenteil, er macht ihn sogar mit der Zeit immer fester. Theoretisch, so die Autoren der Studie, könne der Zement langfristig die gesamte Menge des bei seiner Herstellung emittierten Kohlendioxids wieder aufnehmen.

Allerdings ist die Carbonatisierung ein extrem langsamer Prozess, der nach und nach von den Oberflächen mit Luftkontakt ausgeht und mit zunehmendem Alter des Betons nach innen fortschreitet. So haben die Autoren ausgerechnet, dass Beton während seiner Nutzungsdauer durchschnittlich etwa 16 Prozent der bei seiner Herstellung frei gewordenen Kohlendioxidmenge wieder aufnimmt, sie gehen deshalb von einer bisher nicht hinreichend beachteten CO2-Senke mit erheblichem weiteren Potenzial für Klimaschutzmaßnahmen aus.

Dabei ist lange bekannt, dass die Carbonat- und Silikatgesteine der Erde im Zuge ihrer natürlichen Verwitterung Kohlendioxid aus der Atmosphäre ziehen. Pro Jahr sollen das 1,1 Gigatonnen sein. Dasselbe gilt im Prinzip für verbauten Zement. Ob sich daraus praktischer Nutzen ziehen lässt, hängt vom Umgang mit Zementabfällen ab. Statt große Blöcke zu deponieren oder luftdicht zuzuschütten, ist es nach den Autoren in jedem Fall besser, die Zementmaterialien wiederzuverwenden oder so zu zerkleinern, dass frische und größere Oberflächen entstehen, die die Carbonatisierung erleichtern.

gh

Quellen:
www.faz.de
www.holcim.de
www.moorfutures.de

Foto: adobestock.com