CSRD Änderungen: Was gilt jetzt rechtlich für Unternehmen, Frau Anzeletti?
Ab wann ist mit der Verabschiedung der Änderungen an der CSRD zu rechnen? Gilt bis dahin die bestehende Fassung der Richtlinie? Was bedeutet es für Unternehmen, wenn die CSRD bisher nicht in nationales Recht umgesetzt worden ist? Und wie verhalten sich Unternehmen jetzt richtig? Fragen an die Rechtsanwältin Nina Alexandra Anzeletti von der Wiener Kanzlei Schönherr.
Frau Anzeletti, für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass die Änderungen, wie jetzt von der Kommission vorgeschlagen, auch kommen werden?
Es liegen ja mehrere sogenannte Omnibus-Vorschläge auf dem Tisch, und in Q2 2025 soll noch ein dritter Vorschlag kommen: das Omnibus-Paket III. Interessant finde ich, dass als Frist, bis zu der die neuen Richtlinien in nationales Recht umgesetzt werden sollen, im ersten der beiden vorgelegten Dokument der 31.12.2025 genannt ist; siehe Artikel 2 in COM(2025)80final. Diese Eile ist dem Druck der Wirtschaftsverbände zuzuschreiben, die auf möglichst schnelle Rechtssicherheit drängen. Ich halte diese Frist für extrem ambitioniert, zumal es im Parlament über die vorgeschlagenen Änderungen sicher noch Diskussionen geben dürfte zwischen jenen Abgeordneten, die Erleichterungen für Unternehmen wollen, und denen, die eine Aufweichung der Nachhaltigkeitsstandards befürchten.
Was meinen Sie, wann wird die neue Direktive frühestens Gesetzeskraft haben?
Spannenderweise steht im zweiten Omnibus-Vorschlag – siehe Artikel 5 in COM(2025)81final – eine andere Frist: „12 Monate“ nach Veröffentlichung der Richtlinie im europäischen Amtsblatt. Das halte ich für deutlich realistischer.
Wann wäre das dann?
Das hängt vom Tempo des weiteren Verfahrens ab. Und das ist vom politischen Gefüge in der EU abhängig. Wir befinden uns ja aktuell in Deutschland und in Österreich noch in der Bildung neuer Regierungen. Ganz zu schweigen von der geopolitischen Lage. Das beeinflusst natürlich auch die Abläufe in der EU.
Was gilt für Unternehmen bis dahin?
Das ist eine sehr spannende Frage, tatsächlich haben wir hier eine Rechtsunsicherheit. Das ist allerdings nicht selten so bei Richtlinien der EU, die von Mitgliedsstaaten nicht oder zu spät in nationales Recht umgesetzt werden. Die Frist dafür wäre bei der CSRD der 6. Juli 2024 gewesen. Das ist weder in Deutschland noch in Österreich geschehen, in beiden Ländern gibt es bisher nur Gesetzesentwürfe. Nach denen müssten neu unter die Berichtspflicht fallende Unternehmen bereits seit dem 1. Januar 2025 Daten sammeln, um 2026 über das Geschäftsjahr 2025 zum ersten Mal nach der CSRD zu berichten. Da die Entwürfe aber noch nicht von den Parlamenten beschlossen wurden, gibt es aktuell für kapitalmarktorientierte Unternehmen über die bestehenden Berichtspflichten hinaus keine gesetzliche Grundlage. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die vorliegenden Gesetzesentwürfe vom Bundestag oder vom Nationalrat noch beschlossen werden, wenn neuen Richtlinien der EU absehbar sind bzw müssten derzeit vorliegende Entwürfe noch angepasst werden.
Heißt das, die Unternehmen, die nach der CSRD neu von der Berichtspflicht erfasst würden, können sich erst einmal zurücklehnen und das weitere Verfahren abwarten? Setzen Sie sich damit nicht einem Haftungsrisiko aus?
Generell ist das nicht auszuschließen. Aber die Rechtsprechung bei nicht umgesetzten Richtlinien sieht den entsprechenden Staat in der Pflicht, nicht Unternehmen. Das bedeutet, dass der Staat, der eine Richtlinie nicht umsetzt, ein Vertragsverletzungsverfahren riskiert. Ansonsten sind Richtlinien nur sehr eingeschränkt unmittelbar anwendbar (siehe hierzu: Jaeger, Rechtsfolgen verspäteter Richtlinienumsetzung am Beispiel der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD, ZfRV 2024/148). Europarechtsexperten leiten derzeit keinen direkten privaten Haftungsanspruch gegenüber Unternehmen ab.
Wie sollten sich Unternehmen Ihrer Ansicht nach verhalten in dieser unklaren Situation?
Größere Unternehmen, die nach den vorliegenden Vorschlägen auch künftig von der Berichtspflicht betroffen sein dürften, sollten die weitere Entwicklung abwarten und beobachten. Es soll sich ja auch der Umfang der zu berichtenden Informationen, die Zahl der sogenannten Datenpunkte gemäß ESRS, deutlich reduzieren. Außerdem will man den Beginn um zwei Jahre hinausschieben.
Was sollten kleinere Unternehmen tun, die voraussichtlich ganz aus der Berichtspflicht fallen werden?
Im Grunde gilt für die das Gleiche. Denn auf dem Umweg der Lieferbeziehungen mit größeren Unternehmen können auch sie nach den neuen Standards zu bestimmten Angaben verpflichtet werden. Es schadet also auch für die nicht, zumindest die Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen und anzufangen, die entsprechenden Daten intern zu erheben. Wenn es um ihre wesentlichen Themen geht, ist das für diese Unternehmen auch unabhängig von einer gesetzlichen Berichtspflicht sicher nicht von Nachteil.
Wie bewerten Sie das Hin und Her bei der CSRD?
Dieser Zickzack-Kurs schafft Unsicherheit bei Unternehmen und auch unnötigen Aufwand. Er ist zu erklären als eine Art Reaktion Europas auf die protektionistischen Bestrebungen in der Weltwirtschaft, insbesondere der USA. Auch im Entwurf des Koalitionsvertrags für Österreich liest man jetzt Formulierungen wie „Austria first“ und „Europe first“. Die EU-Kommission revidiert mit ihren Omnibus-Vorschlägen inhaltlich den früheren Green Deal im Interesse der Unternehmen. Das mag man als Motiv verstehen, hinsichtlich Rechtsklarheit ist dieses Vorgehen jedoch sehr unglücklich.
Interview: Gerd Henghuber
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