Z
ertifikate bemessen im Bereich des freiwilligen Handels die Menge an CO2, die Kompensationsprojekte irgendwo auf der Welt einsparen, meist in Entwicklungsländern. Unternehmen, die ihre eigenen, unvermeidlichen, Emissionen dadurch ausgleichen wollen, kaufen diese Zertifikate und legen sie still. So können sie sich oder einzelne Produkte klimaneutral erklären. Um diese Zertifikate ist in den letzten Jahren ein Markt entstanden, mit zahlreichen Händlern und Dienstleistern für interessierte Unternehmen.
Dieser freiwillige Zertifikatehandel wird immer wieder auch kritisiert, zuletzt durch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und den Spiegel. Der Vorwurf der Kritiker lautet Greenwashing. Das heißt, so die Kritiker, Unternehmen unternähmen in der Regel selbst zu wenig unternehmen, um Energie einzusparen, sondern kauften sich stattdessen über die Zertifikate mit Zahlungen an Klimaschutzprojekte mehr oder weniger frei.
Hinzu komme, dass viele der Projekte Zweifel an ihrer Wirksamkeit aufkommen ließen. Ein Beispiel dafür war 2020 die massive Kritik von Greenpeace an dem Bergwaldprojekt in Indonesien, mit Hilfe dessen VW die Klimaneutralität seines Elektromodells ID.4 bewerkstelligt. Die Kritiker sehen in solchen Klimaneutral-Siegeln vor allem ein Marketinginstrument.
Diese Kritik mag in einzelnen Fällen zutreffen, dennoch muss man seriöse von weniger seriösen Vorgehensweisen unterscheiden – dabei helfen die folgenden Fragen:
- Wurden ausreichend Potenziale zur (fossilen) Energieeinsparung gehoben?
Das ist sicherlich der wichtigste Punkt, denn das Klimaproblem der Erde wird nicht durch Kompensationsprojekte gelöst, sondern durch einen Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung. Das ist der wichtigste und erste Hebel, den Unternehmen ansetzen müssen. Erst, wenn der ausgereizt ist, darf man sinnvollerweise über Ausgleich der restlichen, unvermeidbaren Emissionen nachdenken. - Welche Projekte werden zur Kompensation ausgewählt?
Es gibt ein sehr breites Spektrum von möglichen Projekten in Entwicklungsländern, die mehr oder weniger effizient CO2 einsparen, mehr oder weniger entwicklungspolitische Aspekte integrieren, mehr oder weniger gut durchgeführt werden und mehr oder weniger gut überwacht werden. Die Kritik daran ist u.a., dass es für den freiwilligen CO2-Handel keine verbindlichen Standards, objektive Gutachter oder unabhängige Überwachungsstellen gebe. Allerdings sind in den letzten Jahren eine Reihe ambitionierter Standards entstanden, an denen sich Projekte messen lassen, einer davon ist der so genannte Gold Standard. - Bewirken die Projekte wirklich eine Veränderung?
Das Beispiel von VW zeigt, dass es oftmals gar nicht so einfach ist, tatsächlich eine Veränderung zu bewirken, das gilt besonders bei Waldprojekten. Es ist hier genau zu prüfen, ob ein geschützter Wald tatsächlich ohne das Schutzprojekt gerodet worden wäre, oder ein aufgeforsteter Wald langfristig stehenbleiben wird, oder doch abgeholzt wird, sobald die Gutschriften verkauft sind. Wichtig ist auch, wenn es sich um einen Nutzwald handelt, was mit dem geschlagenen Holz geschieht. Wenn es verbrannt wird, ist der Klimaeffekt dahin. - Wird wirklich Doppelzählung vermieden?
Das ist ein sehr wichtiger Punkt, denn Unternehmen können sich nur zugute schreiben, was nicht ohnehin in der Klimaberichterstattung der Staaten einfließt. Das gilt im Besonderen für die Industriestaaten – seit dem Pariser Abkommen versuchen aber auch Entwicklungs- und Schwellenländer, vom wachsenden Zertifikatehandel zu profitieren. So wollen sie sich die Klimaprojekte in ihrem Land selbst anrechnen lassen, obwohl sie die Gutschriften bereits verkauft haben. Brasilien etwa will sich das Nicht-Abholzen bzw. das Wiederaufforsten mit CO2-Rechten bezahlen lassen und sich gleichzeitig die dadurch eingesparten Emissionen in die eigene Klimabilanz schreiben. - Zu welchem Preis erwerben Firmen ihre Zertifikate?
Es kommt vor, dass Unternehmen teuren Klimaschutz in Industrieländern mit billigen Gutschriften aus dem Süden ersetzen. , deren Integrität niemand wirklich einschätzen - Welchen Bezug haben Unternehmen zu „ihren“ Kompensationsprojekten?
Unternehmen, die es ernst meinen, mit ihrer Klimaneutralität, sollten es auch genauso ernst mit ihrem Kompensationsprojekt meinen. Sie sollten es dann eben nicht einfach nur aus einem Katalog auswählen, sondern es möglichst persönlich kennen, um darüber umfassend Auskunft geben zu können – etwa um die o.g. Fragen souverän beantworten zu können.
gh
Quelle:
www.spiegel.de
Foto: gh